Sommertheater auf Usedom – Amphitryon in der Kirche Koserow
- Susanne Schulz
- 7. Juli
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 9. Juli
Identitätsklau von Göttern: In der Kirche Koserow wird diesen Sommer AMPHITRYON gespielt – mit Tempo, Witz und Hintersinn.
Koserow. Eine ekstatische Liebesnacht und ein göttlicher Betrug, ein doppeltes Spiel und dessen fassungslose Opfer, ein kleines Kirchlein und ein großes Theaterstück: All das fügt sich aufs Beste, wenn in Koserow AMPHITRYON gespielt wird. Die „tragische Komödie“ von Heinrich Kleist bildet in diesem Sommer den Kern der Reihe Klassik am Meer, die alle Jahre wieder feines Theater in die Kirche des Ostseebades auf der Insel Usedom bringt.
Liebesnacht mit Götterzauber
Da treiben die Götter ihr Spiel mit den Menschen, als Feldherr Amphitryon siegreich aus der Schlacht heimkehrt zu seiner geliebten Alkmene und erfahren muss, er sei doch in der vergangenen Nacht schon bei ihr gewesen. Erst viel später wird er begreifen, was das Publikum bereits weiß: Ein anderer war's, und zwar Gott Jupiter, der der sehnsuchtsvollen Schönen in Gestalt des Gatten göttlichen Sex beschert hat.
Noch viel schnöderer Identitätsklau ist seinem Diener Sosias widerfahren: Ihn hat Götterbote Merkur gleich in direkter Konfrontation seiner Existenz beraubt. Wenig später können die überrumpelten Männer wie auch ihre erstaunten Frauen, allesamt gründlich an sich selbst zweifelnd, dem eigenen Leben nur noch zuschauen wie einem unbegreiflichen Film.
Regisseur Marco Bahr versetzt die hintersinnige Geschichte in eine Wanderbühne, der Ausstatterin Gesine Ullmann vor und über einem roten Vorhang zwei Spielebenen zaubert. Zunächst in Alltagskleidung ihr Revier erkundend, steigen die Akteure flugs in ihre Rollen, dann in immer opulentere Maskerade und Kostümierung ein – bis aller Lug und Trug seine Auflösung findet in einem gehauchten „Ach ...“
Mit Tempo, Spiel- und Wortwitz
In hohem Tempo trumpft die Inszenierung mit Kleists gewandter, packender Sprache und noch hinzugefügtem Wort- und Spielwitz auf; ebenso mit stummen Momenten der Ratlosigkeit und mimischem Vergnügen, das so nur in der Publikumsnähe dieses famosen Spielorts funktioniert. Und mit den schauspielerischen Qualitäten der Mitwirkenden: Luis Quintana als selbstgerechter Feldherr, der seinen Diener gehörig schlecht behandelt und seinen Jammer hinter Helm und Harnisch verbirgt; Jonathan Kutzner in Sosias' flotter Körperlichkeit; Corinna A. Horn energiegeladen als dessen streitfreudige Frau Charis; Volkmar Leif Gilbert maliziös als Merkur; Shero Khalil als Jupiter, der sich kraft seines göttlichen Ranges nimmt, was er will, aber doch auch ein bisschen Liebe ersehnt; Franziska Krol als so aufrichtige wie zerrissene Alkmene.
In ihrer 27. Saison vermag die Koserower Klassik am Meer der Anziehungskraft von Sommer, Sonne, Strand auf Usedom einmal mehr die Strahlkraft besonderer Theater-Abende hinzuzufügen – mit einem gleichermaßen komödiantischen wie philosophischen Stoff: Wer bin ich wirklich? Was macht mich aus?
Weitere AMPHITRYON-Vorstellungen gibt es am 11., 17., 18. und 31. Juli, 1., 14., 15., 21. und 22. August sowie 4. und 5. September.
Am 10. Juli und 28. August liest Marco Bahr bei STAR-GEIGER TRIFFT KLEIST Kurzgeschichten von Heinrich Kleist, musikalisch begleitet von Star-Geiger Thorsten Rosenbusch.
Außerdem bietet der Spielplan noch den Dreigroschenoper-Abend UND DER HAIFISCH, DER HAT ZÄHNE mit Hellena Büttner und Peter Bause am 24. und 25. Juli, 7. und 8. August sowie Peter Bauses Solo MEIN SOHN KOMMT EINE STUNDE SPÄTER am 29. August.
Karten für alle Aufführungen können telefonisch gebucht werden unter 0761 88849999 oder online über https://klassik-am-meer.reservix.de/events.
Dieser Text erschien zuerst im Nordkurier: Sommertheater um göttlichen Identitätsklau.





















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